Frau
Schwarz, seit
einem
Snowboard-Unfall vor genau zehn Jahren sind sie querschnittsgelähmt.
Können Sie uns berichten, wie das damals passiert ist?
Mit ein paar Leuten waren wir zum Helikopter-Skiing nach Russland
gereist. Wir waren schon an zwei Tagen auf dem Berg gewesen, als es zu
einem letzten Mal nach oben ging. Ich bin an diesem Tag Snowboard
gefahren. Bei der Abfahrt überholte mich irgendwann der
”Lumpensammler”, so heißt der Betreuer, der als Letzter fährt und die
Gruppe im Auge behalten soll. Doch das hätte er nicht tun dürfen, denn
so bemerkte niemand, dass mir plötzlich der Boden unter den Füßen
wegbrach und ich in eine zugeschneite Gletscherspalte stürzte.
Was denkt man in so einem Moment?
Ich fiel fast 15
Meter tief und ich erinnere mich noch, dass ich
dachte: ”Das gibt’s doch nicht, so was passiert doch nur im Kino!” Dann
wurde ich kurz ohnmächtig. Als ich aufwachte, hatte ich starke
Schmerzen, konnte aber meine Beine noch bewegen. Die fatale Verletzung
erhielt ich erst bei der Rettunsaktion selber. Als man mich in den
Hubschrauber hieven wollte, kam eine Böe und riss den Hubschrauber
seitlich weg. Ich hing nur noch an meinen Füßen und dabei ist es dann
passiert: Die angeknackste Wirbelsäule bekam den Rest. Als ich endlich
im Hubschrauber lag, merkte ich, dass ich kein Gefühl mehr in den
Beinen hatte.
Wann war Ihnen definitiv klar, dass Sie nie mehr laufen können würden?
Das ist schwer zu sagen, denn im Schock verarbeitet man so etwas erst
einmal nicht weiter. Erst als ich Wochen nach der Operation zur Reha in
eine Klinik nach Ludwigshafen kam, wurde ich mit ganzen der Wahrheit
konfrontiert. Der Oberarzt sagte: ”Wir wollen Ihnen nur sagen: Auch ein
Leben im Rollstuhl ist lebenswert.” – Peng! Das war das erste Mal, dass
jemand das Wort Rollstuhl in den Mund genommen hatte.
Sie haben in der Zeit im Krankenhaus zu Gott gefunden. Wie das?
In den ersten Wochen habe ich so manches Mal nachts vor Wut geheult
oder ins Kissen gebissen und habe natürlich auch die typischen Fragen
gestellt: Warum? Wieso ich? Was mache ich jetzt? Doch eines Tages wurde
mir klar: Wenn die Ärzte dir nicht mehr helfen können, musst du die
Antworten woanders suchen. Meine Mutter habe ich dann gebeten, mir eine
Bibel mitzubringen. Ich dachte: ”Wenn einer meine Fragen beantworten
kann, dann ist das Gott – falls es ihn gibt!”
In dieser Situation bekam ich einen neuen Pfleger, der Christ war. Er
hat mir von Jesus erzählt, hatte viele Antworten auf meine Fragen, hat
mit mir in der Bibel gelesen und mit mir gebetet. Aber das
Entscheidende war der Friede, den er ausstrahlte. Den wollte ich auch
haben. Und so kam nach wochenlangen inneren Kämpfen der Moment, an dem
ich Jesus in einem Gebet mein Leben anvertraut habe. Damit habe ich den
wichtigsten Schritt meines Lebens also tatsächlich ohne Beine gemacht.
Bereits während der Reha haben Sie angefangen, Rollstuhlbasketball zu
spielen. Später sind Sie aufs Fechten umgestiegen und haben nach nur 15
Monaten bereits olympisches Gold geholt. Wie schafft man das?
Wenn man im Rollstuhl sitzt, ist Sport – sofern man in einem gewissen
Maß dazu in der Lage ist – geradezu überlebensnotwendig. Denn durch das
permanente Sitzen leidet der Körper unausweichlich. Ganz davon
abgesehen wollte ich einfach wissen, was noch so alles in mir drin
steckt. Als Fechterin wurde ich enorm gefördert. Und weil ich nicht
unbegabt war und fast jeden Tag trainiert habe, konnte ich schon nach
einigen Monaten mit zu hochrangigen Turnieren fahren. 1995 ging es zu
den Europameisterschaften nach Großbritannien wo ich Bronze holte,
danach warteten die Paralympischen Spielen in Atlanta, bei denen ich
dann sogar Gold geholt habe. Damit hätte ich nie gerechnet! Aber als
ich es bis zum Halbfinale geschafft hatte, habe ich gebetet: ”Herr,
wenn du mich bis hierher gebracht hast, dann kannst du mich auch den
Rest noch schaffen lassen. Und wenn es so sein soll, dann will ich den
Menschen auch gerne sagen, dass diese Medaille eine Co-Produktion
zwischen dir und mir war.” Und das habe ich dann auch getan.
Wie reagierten die Leute?
Wenn ich live aufgetreten bin, kam eigentlich nie Kritik und wenn ich
irgendwo im Fernsehen auftrete, bekomme ich hinterher oft Briefe von
Menschen, die es toll fanden, wie ich über meinen Glauben rede, oder
die selber auch der Suche sind. Hintenrum hört man natürlich immer
wieder einmal, dass so mancher es nicht gut findet, dass ich meinen
Glauben so öffentlich mache. Aber ich bin nun mal ein evangelistischer
Typ. Ich finde, es ist mein Job, den Mund aufzumachen, auch wenn es
nicht jedem schmeckt. Es ist gut, wenn Menschen aufgerüttelt werden.
Was zieht Sie an Jesus Christus denn besonders an?
Dass er tatsächlich existiert. Er greift in Situationen ein, verändert
Dinge und Menschen. Am erstaunlichsten finde ich sowieso, wie Gott
einen über die Jahre durch seinen Heiligen Geist verändert. Ich bin
geliebt und angenommen so wie ich bin und darf mich doch
weiterentwickeln. Ich bin heute eine andere als die, die ich früher
war. Das hat natürlich zum einen mit dem natürlichen Reifungsprozess zu
tun, aber durch Gott bekommt deine ganze Person eine völlig andere
Ausrichtung. Allein das ist ein Wunder.
Apropos Wunder: Haben Sie sich nie gewünscht, geheilt zu werden?
Natürlich und ich weiß, Gott kann mich hier und jetzt heilen. Es gibt
Tage, an denen ich mich extrem nach Heilung ausstrecke und dann
wiederum kann ich es ganz locker akzeptieren wie es ist. Glauben Sie
mir, ich habe ständig Schmerzen und Gott hat sie mir bisher nicht
weggenommen, obwohl er weiß, wie es mir geht. Darum bin ich sicher,
dass sie einen Sinn haben und sei es nur, dass sie mich demütig halten
oder dass ich Menschen, die auch Schmerzen haben, besser verstehen
kann. Oder dass Leute, die mich beobachten, denken: ”Mensch, und die
hält trotzdem an Gott fest! Das muss aber ein starker Gott sein!”
Von diesem grundsätzlichen Ja zu meiner Behinderung möchte ich mich
nicht wegbewegen und dennoch gleichzeitig daran festhalten, dass Gott
handeln kann. Das zu akzeptieren, ist eine echte Aufgabe. Alles andere
wäre für mich Leistungsglauben. Gott möchte, dass wir bei ihm zur Ruhe
kommen. Da gibt es kein Machen! Ich bin immer wieder mit meinem ganzen
Leben und allen Fragen auf Gott geworfen. Und das ist letztlich auch
das, worum es geht: Die Nähe und der Kontakt zu ihm. Dann ist alles
andere nicht mehr so wichtig. Gott als Person ist die Antwort.
Sie haben einmal gesagt: ”Fatal ist, wenn Menschen ihr Leben aus
eigener Kraft meistern können.” Wieso das?
Weil sie dann glauben, die Zusammenarbeit mit Gott nicht zu benötigen.
Wenn es Menschen gut geht, glauben sie schnell, dass sie Gott nicht
brauchen. Aber das ist ein fataler Irrtum. Er endet darin, dass
Menschen auch in Ewigkeit nicht mit ihm zusammen sein werden. Ich bete
manchmal regelrecht dafür, dass Gott einem Menschen genau die Krise
schickt, die er braucht, um sich ihm zuzuwenden. Denn ich glaube, dass
nichts ein Herz mehr für Gott öffnet, als eine persönliche Krise.
Sicher, mancher findet durch bloßes Nachdenken über die Zusammenhänge
in der Welt zu Gott. Der Wissenschaftler Blaise Pascal war so jemand.
Aber das ist doch eher selten. Wieder andere finden zum Glauben, weil
sie zum Beispiel in ihrem Elternhaus echten Glauben beobachten konnten
und sich später dann selbst dafür entschieden haben. Ich gehörte schon
immer zu der Sorte Mensch, die immer erst an ihre Grenze kommen
mussten, bis sie eine Sache kapieren. Darum war es letztlich Gnade,
dass ich diesen Unfall überleben und Gott finden durfte. Schließlich
wollte ich ja vorher nichts mit Gott zu tun haben.
Seit 1997 sind Sie im Bereich der Garten- und Landschaftsplanung als
Selbstständige tätig. Ihr Ziel ist ”eine Welt ohne zwischenmenschliche
und bauliche Hindernisse”. Ist das möglich?
Nun, die zwischenmenschlichen Barrieren behindern oft mehr als die
baulichen. Hinzu kommt, dass sie einander bedingen, denn wenn jeder
barrierefrei denken würde – auch der Architekt –, würden keine
Barrieren geplant und gebaut. Was ich mir wünsche, ist, dass Menschen
einfach locker und mit dem normalen Maß an Höflichkeit aufeinander
zugehen. Normalität ist wirklich das Wichtigste. Man sollte einen
Behinderten einfach ansprechen und ihn fragen, ob er vielleicht Hilfe
braucht. Man darf sich auch ruhig höflich nach seiner Behinderung
erkundigen. Nur eine Sache, darf man unter keinen Umständen tun:
Helfen, ohne gefragt zu haben! Man muss sich mal klar machen: Der
Rollstuhl ist ein Teil des Körpers des Behinderten! Wenn also jemand
meinem Rollstuhl anfasst, fasst er mich an. Um hier aufzuklären und
Hemmschwellen abzubauen, biete ich auch Workshops und Vorträge zu
Themen wie ”Umgang mit Behinderten” oder auch ”Barrierefreiheit” an.
Grundsätzlich sollte es nämlich Spaß machen und eine positive
Herausforderung für alle Beteiligten sein, wenn Behinderte und
Nichtbehinderte aufeinander treffen. Ich möchte den Menschen ihre
Berührungsängste nehmen.
Nach der Silbermedaille in Sidney haben Sie Ihre Profilaufbahn beendet.
Irgendwelche Zukunftspläne?
Vorerst nicht. Denn dieser Spagat – Beruf und Sport – war auf Dauer
unmöglich zu bewältigen. Natürlich habe ich Gott gefragt, was er über
eine Teilnahme in Athen 2004 denkt. Und dann ist etwas vollkommen
Ungeplantes passiert: Ich habe mich verliebt und werde noch in diesem
Sommer heiraten. Was dann alles auf meinen Mann und mich zukommt,
können wir beide noch nicht abschätzen. Aber eins wird auch in Zukunft
unsere Priorität sein: Wir wollen regelmäßig als Paar für Gott
unterwegs sein – und das ist ein großes Geschenk!
Interview: Sabine Schmidt; aus: Neues Leben - Das christliche
Ratgebermagazin
(
www.neuesleben.com)
weitere Informationen:
https://gottkennen.jesus.net
https://www.jesus.ch/