Die Brücke im Dorf spannte sich
hoch und weit über das kleine Flüsschen, das die Häuser und
ihre
Bewohner in zwei Gruppen teilte. Das Jahr über war der Fluss,
der unter
der Brücke plätscherte, nur ein kleines Rinnsal, aber nach der
Schneeschmelze im Frühjahr oder nach langen Regentagen im
Herbst
schwoll er an und die Brücke war dann die einzige Möglichkeit,
einen
Besuch auf der anderen Seite abzustatten.
Aber die Brücke war mehr als nur eine Verbindung zwischen den
beiden
Ufern. Sie bot eine herrliche Aussicht auf das Tal und Platz
für eine
kleine Unterhaltung; sie war Treffpunkt für Verliebte und
Verkaufsfläche für fahrende Händler. Und - sie war ein
Zeichen.
Die Legende erzählt, dass - lange bevor sich die Häuser zu
einem Dorf
verdichteten - links und rechts vom Fluss zwei Bauernhöfe
standen, die
ihren Bewohnern nur wenig Erträge boten. Die Arbeit war schwer
und das
Land karg. Es blieb nur wenig Geld, um sich neue und
praktische Geräte
anzuschaffen, die die Arbeit erleichterten und Gelegenheit zu
etwas
Wohlstand boten. Immer wieder dachten beide Bauern darüber
nach, auch
eine Brücke zu bauen. Aber wenn schon das Geld für einen neuen
Pflug
oder für weiteres Vieh kaum reichte, blieb noch weniger für
eine Brücke
übrig.
Bis in einem Jahr eine große Trockenheit über das Land
einbrach. Die
Ernte fiel noch kleiner aus, die Saat ging kaum auf und das
Vieh hatte
nur wenig Fleisch auf den Knochen und gab kaum noch Milch.
Der Fluss hingegen trocknete ganz aus. Und so kam es, dass die
beiden
Familien ohne Schwierigkeiten auf die andere Seite gelangen
konnten -
und sie halfen einander, wo sie konnten. Wenn der Bauer auf
der linken
Seite die Einsaat nicht mehr schaffte, kam ihm der Bauer der
rechten
Seite zur Hilfe. Und als die Kuh auf der rechten Seite kalben
sollte,
wusste der Bauer von der anderen Seite guten Rat und man
wechselte sich
in der Stallwache ab. Trotz der Trockenheit ging es am Ende
des Jahres
beiden Familien besser als jemals zuvor.
Im nächsten Jahr kam der Regen wieder - aber diesmal begannen
beide,
die Brücke über den Fluss zu bauen. Man hatte dafür kaum Geld
und noch
weniger Zeit. Aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass man
manchmal
das Letzte, was man hat, in eine Brücke zueinander investieren
sollte -
weil Menschen, die füreinander da sind, einen größeren
Reichtum
darstellen als alle Geräte und Maschinen.
Verfasser unbekannt
Es gab in Indien den Tempel der
tausend Spiegel. Er lag hoch oben auf einem Berg und sein
Anblick
war gewaltig. Eines Tages kam ein Hund und erklomm den Berg.
Er stieg die Stufen des Tempels
hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel.
Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er tausend
Hunde. Er
bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz
zwischen die
Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne.
Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die
Schwänze
zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die
Zähne.
Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von
nun an,
dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und
bedrohlichen
Hunden bestehe.
Einige Zeit später kam ein anderer Hund, der den Berg erklomm.
Auch er
stieg die Stufen hinauf und betrat den Tempel der tausend
Spiegel. Als
er in den Saal mit den tausend Spiegeln kam, sah auch er
tausend andere
Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang
fröhlich
hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf.
Dieser Hund verließ den Tempel mit der Überzeugung, dass die
ganze Welt
aus netten, freundlichen Hunden bestehe, die ihm wohlgesonnen
sind.
Verfasser unbekannt